Vielleicht gehören auch Sie zu den vielen Deutschen, die noch nie etwas von den Marken in Italien gehört haben. Der Begriff ist hierzulande auch eher unbekannt. Die Marken oder la Marche, wie die Italiener sie nennen, ist eine der interessantesten Regionen Italiens. Das Gebiet umfasst die fünf Provinzen Ancona, Ascoli Piceno, Fermo, Macerata und Pesaro-Urbino. In den Marken leben auf knapp 10000 Quadratkilometern Fläche etwa 1,5 Millionen Menschen. Das Gebiet ist landschaftlich sehr verschiedenartig und reizvoll. Ein Teil der Marken liegt an der Adria-Küste, ein weiterer Teil mit den berühmten alten Städten Urbino und Ascoli-Piceno in sanftem Hügelland, der dritte Teil in den schroffen Bergen des Apennin. Rund 180 Kilometer malerische Adriaküste, mehrere Naturschutzgebiete und Nationalparks, wunderschöne historische Altstädte, Burgen, Festungen und Schlösser, Kirchen, Klöster und Abteien prägen die Marken. Sie sind geschichtsträchtiges altes Kulturland und waren einmal Grenzgebiet des Heiligen Römischen Reiches. Alle Orte atmen hier Geschichte und sind doch auch bezaubernd italienisch, natürlich und lebenslustig. Genauso vielfältig wie die Landschaft ist auch die Küche der Marken. Frisch gefangene Fische, gesund aufwachsende Weidetiere, viel Wild, sonnengereifte Früchte, Gemüse, Oliven und Wein lassen kulinarische Köstlichkeiten erwarten und auch überall finden. Dabei ist die regionale Küche der Marken eher bäuerlich geprägt und recht ursprünglich. Die allermeisten Gerichte werden aus frischen heimischen Zutaten nach alter Tradition zubereitet. Deshalb hat jede Gegend ganz eigenständige Gerichte.
Ein Fischstäbchen oder eine Dosensuppe wird man in den Marken weder in Restaurants noch in privaten Haushalten kaum jemals vorgesetzt bekommen, allerdings auch kaum viel Dekoration und Schnickschnack auf den Tellern erleben. Die Markener oder Marchigi lieben es deftig, klassisch und gradlinig und sie verwenden alles, was in Wald und Feld und auf Wiesen wächst oder umherläuft. Hier kommt nichts um und doch wird es sehr lecker zubereitet, wobei “alla Nonna” nach Großmutterart, allgemein die absolute Krone der Kochkunst darstellt. Neben Fisch und Fleisch, Obst und Gemüse, Pilzen, Nüssen und Wildkräutern gibt es in den Marken eine ganz besondere Delikatesse – die Trüffel. In kaum einer anderen Region Italiens, von Umbrien und dem Piemont abgesehen, werden so viele von ihnen gefunden und gegessen. Ganz besonders reich an den berühmten italienischen Trüffeln ist die Gegend rund um die kleine Stadt Acqualagna in der Nähe von Urbino. Hier haben die schwarzen Trüffel (Tuber melanosporum) fast das ganze Jahr über Saison und auch die sehr seltenenen und deshalb viel begehrteren weißen Trüffel (Tuber magnatum) sind von September bis zu Weihnachten in den Wäldern zu finden. Insgesamt kommen hier 16 verschiedene Trüffelarten vor. Kaum eine Familie in und um Acqualagna hat nicht irgend etwas mit den Trüffeln zu tun. Fast jede hat einen oder mehrere Familienangehörige, die mit ihren Trüffelhunden auf Suche nach den Edelpilzen gehen. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht werden, zumindest in Italien, die Trüffel nämlich nicht von Schweinen sondern mit speziell dafür abgerichteten Hunden gesucht. Sie lassen sich die gefundenen Trüffel einfach leichter abnehmen als Schweine. Es gibt inzwischen auch Plantagen, in denen die schwarzen Perigor-Trüffel und Sommertrüffel kontrolliert wachsen. Die erste kommerziell angelegte Trüffel-Zucht befindet sich in Sant Angelo in der Nähe von Acqualagna. Es ist nicht möglich, Trüffel ähnlich wie Kartoffeln direkt anzubauen. Man muss statt dessen Stecklinge bestimmter Bäume mit den Sporen der unterirdisch wachsenden Trüffel impfen und diese dann in spezielle Erde pflanzen, die ein Trüffel zum Wachsen benötigt. Dann dauert es etwa 10 Jahre, bis mit etwas Glück ein fertiger Trüffel ausgebuddelt werden kann. Die Prozedur ist zwar recht langwierig und umständlich aber trotzdem wirtschaftlich interessant und deshalb gibt es jetzt in der Region sehr viele Trüffelzuchten. Durch sie ist es auch Menschen mit kleinerem Budget möglich, Trüffel zu genießen, für die Kilo-Preise von einigen Hundert bis zu fünftausend Euro für wilde Trüffel nicht erschwinglich wären. Von Acqualagna und Urbino aus werden Trüffel in die ganze Welt exportiert, aber sie kommen natürlich auch auf die Tische der Restaurants der Region und der einheimischen Bevölkerung. Im “sogenannten “Trüffelland” muss man nicht gleich einen Kredit aufnehmen, wenn man einmal ordentlich Trüffel genießen will. Trotzdem werden nicht immer die wirklich ganz edlen Trüffel auf der Speisekarte der Restaurants in den Marken stehen. Gerade im Sommer sind es eher die nicht ganz so aromatischen Sommertrüffel, weil der schmackhafteste der schwarzen Trüffel nur von Dezember bis März in den Wäldern wächst und der weiße Trüffel wie bereits erwähnt nur im September bis Dezember zu finden ist. Die Trüffel-Knollen werden über frisch geröstetes Brot oder über Pasta gehobelt, zu Kalbsschnitzel und Schmorbraten, zu Kaninchen und Wild und zu Fisch genossen. Es gibt Trüffel-Butter, Trüffel-Öl, Trüffel-Käse, Trüffel-Wurst, Trüffel-Schinken und Trüffel-Honig. Sehr gut passen Trüffel auch zu Rührei oder Spiegelei. Auch cremige Suppen können damit verfeinert werden. Ein sehr beliebtes regionales Gericht sind Cappellini mit Trüffel-Sahnesoße. Dabei werden hauchdünne Spaghetti mit einer Soße gegessen, die aus Sahne, Eigelb, geriebenem Parmesan, Trüffel-Butter und Trüffel-Öl besteht. Es gibt sogar Schokolade mit Trüffel verfeinert.
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